Peking +20
Für die geschäftsführende Direktorin der UN Frauen, sind wir dabei, mutige Schritte bei der Geschlechtergleichheit zu machen.
Aus der Redaktion
12.03.2015 | Donnerstag | 15:51 Uhr | Aktualisiert am 22.09. um 16:48 Uhr (Uhrzeit Brasília)
Seit ihrer Amtsübernahme vor fast zwei Jahren, hat die geschäftsführende Direktorin des UN Frauenorgans, Frau Phumzile Mlambo-Ngcuka diese Organisation mit all ihrer Erfahrung auf dem Gebiet der Frauenrechte, mit starker strategischer Führung und administrativer Praxis geführt. Im Mai 2014, während der Einführung der internationalen Kampagne Peking +20 – deren Thema „Stärkung der Frauen. Stärkung der Menschheit. Glauben Sie daran!“ ist – hob sie hervor, dass die Völker sich in einem unvergleichbaren Augenblick in der Geschichte befinden, in dem eine kollektive Anstrengung unternommen wird, um die Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) bis 2015 zu erreichen und um die nächste Gruppe der weltweiten Ziele zu definieren: die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG). Von daher machte sie deutlich, dass „wir diese einzigartige Gelegenheit, die nur einmal in jeder Generation auftritt, nutzen müssen, um die Geschlechtergleichheit, die Rechte der Frauen und die Stärkung der Frau im Zentrum der globalen Agenda zu positionieren.“
In ihrem bisherigen Werdegang vereint Frau Mlambo-Ngcuka markante Passagen in der Politik Südafrikas, ihrem Geburtsland, in dem sie als erste Frau das Vizepräsidentenamt von 2005 bis 2008 ausübte. Sie wurde 1994 Mitglied des Parlaments und präsidierte das Komitee für Öffentliche Dienste. Ebenfalls bekleidete Sie das Amt der stellvertretenden Ministerin in der Abteilung für Handel und Industrie (1996-1999), war Ministerin für Bergbau und Energie (1999-2005), sowie Interimsministerin für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technologie (2004). Im Jahre 2008 gründete sie die Umlambo-Stiftung, deren Aufgabe es ist Schulen in Armengegenden von Südafrika zu helfen und diese mit Orientierung und Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen, wie auch der Republik Malawi zu helfen, Verbesserungen in den dortigen Bildungseinrichtungen anhand der Unterstützung von lokalen Partnerschaften zu erzielen.
In einem exklusiven Interview, das sie der Zeitschrift GUTER WILLE gab, sprach die geschäftsführende Direktorin, unter anderem, über den 20. Jahrestag der 4. Weltkonferenz über die Frau – der im Jahre 1995 in Peking, China stattgefunden hatte – und der anlässlich der 59. Sitzung der Kommission über die Situation der Frau (CSW, in der englischen Abkürzung) begangen werden soll, die vom 9. bis 20. März diesen Jahres im Hauptsitz der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) in New York, in den Vereinigten Staaten stattfinden wird. Nach ihrer Auffassung ist dies der ideale Augenblick mit kühnen Schritten in Richtung Geschlechtergleichheit und Stärkung der Frau zu schreiten und auf diese Weise die Frist zur Konsolidierung der Aktionsplattform von Peking zu verkürzen, damit Frauen und Mädchen in der Tat die gleichen Rechte und Freiheiten wie Männer besitzen können, sowie alle Möglichkeiten auf allen Gebieten des Lebens.
GUTER WILLE - Was waren, seit der 4. Weltkonferenz über die Frauen, die hauptsächlichen Fortschritte im Kampf für die Gleichberechtigung,?
Mlambo-Ngcuka – Wir haben in den letzten zwanzig Jahren einige wichtige Schritte nach vorn gemacht. Es existiert ein größeres Bewusstsein hinsichtlich der Tatsache, dass Frauen auf allen Gebieten der politischen und sozioökonomischen Partizipation gleichgestellt sein sollen. Es wurden neue Gesetze und Politiken geschaffen, um die Geschlechtergleichheit auf allen Gebieten öffentlicher und privater Aktivitäten zu fördern. Es wurden innerhalb der weltweiten Agenda für Politiken signifikante Fortschritte dahingehend erzielt, die Frauen auf der ganzen Welt in Friedens- und Sicherheitsinitiativen mit einzubinden. Wir stehen kurz davor den Gleichstand der Geschlechter im Grundschulunterricht zu erreichen, und, in der überwiegenden Zahl der Regionen sind mehr Frauen an den Universitäten immatrikuliert, als Männer. Von diesen Erfolgen abgesehen, (…) wird dennoch immer noch eine von drei Frauen Opfer von sexueller Gewalt oder wurde schon einmal von ihrem Partner misshandelt. Frauen tragen immer noch die Bürde unbezahlter häuslicher Arbeit und sind bei den Entscheidungsträgern, sowohl im öffentlichen Sektor als auch im privaten, weiterhin vollständig unterrepräsentiert. Frauen erhalten weiterhin 10-30% weniger Lohn und Gehalt als Männer und finden sich in verwundbarer und informeller Arbeit konzentriert. Nur einer von fünf Parlamentariern ist eine Frau.
GW – Was ist die größte Sorge der Agenda der UNO Frauen für eine Entwicklung nach 2015?
Mlambo-Ngcuka – Obwohl die Millenniums-Entwicklungsziele den Impuls zu signifikanten Fortschritten gegeben haben, sie die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen und überall auf der Welt in Gang gesetzt haben, sind die bisher erzielten, aber ungleichen Resultate nicht weit bei der Lösung der wichtigen strukturellen Fragen gekommen. Als ein Beispiel mag gelten, dass das MDG über die Geschlechtergleichheit und die Autonomie der Frau nicht die Fragen, wie das Recht der Frau auf Besitz, die ungleiche Verteilung der Verantwortungen bei der Sorge um die Familie und der häuslichen Arbeit, die Gesundheit und die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frau, die Gewalt gegen Mädchen und Frauen, sowie die geringe Teilnahme der Frauen bei der Entscheidungsfindung auf allen Ebenen behandelt. Das Weltwirtschaftsforum schätzt, dass sich beim derzeitigen Rhythmus der Progression, die Geschlechtergleichheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Möglichkeiten und der Partizipation, erst in einundachtzig Jahren erfüllen wird. So lange können wir aber nicht warten. Die Regierungen müssen sich auf eine umfassende Art und Weise mit diesen strukturellen Fragen befassen, damit sich die Gleichheit der Geschlechter bis zum Jahr 2030 konkretisieren kann. Die UN Frau vertritt von daher die unabhängige Zielsetzung der Entwicklungsagenda nach 2015, die Geschlechtergleichheit zu erreichen, und sie, mit klar definierten Zielen und Indikatoren, in alle weiteren Gebiete und prioritären Zielsetzungen zu integrieren.
GW – Bei einer Analyse des 20 –jährigen Bestehens der Pekinger Aktionsplattform sowie nach 15 Jahren des Millenniumsgipfels, was muss anders gemacht werden, damit die Länder die Gleichheit der Geschlechter erzielen können?
Mlambo-Ngcuka – Es gibt eine enorme Differenz, die beseitigt werden muss, wenn wir das Ziel erreichen wollen, in einer Welt ohne Ungleichheit der Geschlechter zu leben. Es bestehen weiterhin tief verwurzelte diskriminierende soziale Normen fort, ebenso wie Stereotypen und Praktiken, die den Fortschritt verhindern. In einigen Regionen der Welt, in denen wir ein vermehrtes Auftreten von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus beobachten können, müssen wir noch härter für die Schaffung von sicheren Räumen arbeiten, damit Mädchen die Schule besuchen und einem Beruf nachgehen können und damit Frauen für politische Ämter kandidieren können, ohne Angst vor Gewalt und/ oder Einschüchterung haben zu müssen. (…) Alle Bereiche der Regierung müssen sich für die Implementierung der Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter verantwortlich zeigen und dem auch Rechnung tragen: von den Dörfern bis in die Städte, von den Fabrikhallen bis in die Korridore der Macht. Die existierenden Gesetze müssen beachtet werden, und, in den Fällen, in denen keine spezifischen Gesetze existieren, müssen diese geschaffen werden. Jene 128 Länder, in denen es wenigstens einen rechtlichen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt, müssen ihre Gesetze überdenken. Wir müssen das neu definieren, was wir als Fortschritt bezeichnen und unsere Erwartungen hochschrauben um kühne Sprünge machen zu können und nicht um in kleinen Schritten vorwärts zu schreiten. Im September werden wir jeden einzelnen Staatschef darum bitten, sich einem Aktionsplan zu verpflichten, einem Fahrplan in eine bessere Zukunft für die Frauen, und aufzuzeigen, wie die Ressourcen für diese neuen Verpflichtungen bereitgestellt werden können.
GW – Welche Rolle wird Südamerika in diesem Zusammenhang zukommen?
Mlambo-Ngcuka – Die Regionen Lateinamerikas und der Karibik sind in vieler Hinsicht inspirierend. Es gibt dort bemerkenswerte Frauen, die Staatschefs und Präsidenten sind; beispielsweise in Argentinien, in Brasilien und in Chile, in dem Land, in dem Michelle Bachelet, meine Vorgängerin in der UN Frau, Präsidentin ist. Die Region besitzt mit 26%, eine der höchsten Zahlen weiblicher Repräsentation im Parlament. Es war auch die Region, in der als erste ein zwingendes Dokument verabschiedet wurde, das der Gewalt gegen Mädchen und Frauen vorbeugt, diese unter Strafe stellt und ausrottet: die Konvention von Belém do Pará, aus dem Jahre 1994. Diese mächtige Konvention diente dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt [besser bekannt als Istanbul-Konvention] als Grundlage, die im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist. Lateinamerika und die Karibik haben bedeutende Schritte in Richtung einer Wiedergutmachung an Opfer sexueller Gewalt in Konflikten, zum Frieden und zur Sicherheit getan. In Kolumbien beispielsweise konnte die Zivilgesellschaft, mit Unterstützung der UN Frauen, mit Erfolg eine stärkere Analyse der Geschlechter und eine größere Vertretung von Frauen bei den Friedensgesprächen zwischen der Regierung und den FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) durchsetzen.
GW – Die LGW vertritt die Notwendigkeit die Geschlechterfragen im Schulunterricht zu verstärken. Was wäre, Ihrer Meinung nach, die beste Strategie die edukativen Praktiken in dieser Frage mehr zu sensibilisieren?
Mlambo-Ngcuka – Ich beglückwünsche die Legion des Guten Willens für den Nachdruck, den sie auf eine Stärkung der Geschlechtersensibilisierung bei den edukativen Praktiken legt. Wie Sie, glaube ich sehr daran, dass die Perspektiven der Geschlechter bei Bildung und Erziehung verstärkt werden müssen. Die Frage, die wir uns zu stellen haben, ist die, wie wir dies auf eine Art und Weise bewerkstelligen können, so dass daraus eine weitreichende und nachhaltige Wirkung entstehen kann. Die Sensibilität der Geschlechter bei Bildung und Erziehung zu stärken, sollte nicht bedeuten den Prozessen und Strategien, die in diesem Sinne in sich bereits tendenziös sind, noch eine Geschlechterkomponente hinzuzufügen. Es reicht beispielsweise nicht aus allein die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer zu erhöhen, wenn es nicht gleichzeitig Initiativen gibt, die Art und Weise, wie diese den Unterricht gestalten, zu verändern und ihn dergestalt zu überarbeiten, so dass beiden Geschlechtern gleiche Chancen zu Lernen geboten werden können. Ebenso bedeutet die Zahl der Immatrikulationen von Mädchen in Kursen zu erhöhen, die sich weiterhin eher an die Interessen von Jungen richten, als etwas, das nicht zu den erwünschten Resultaten führen wird. Wir müssen unsere Unterrichtgestaltung und Lehrmethoden überarbeiten, Schuleinrichtungen bieten, die den Anforderungen von Jungen und Mädchen gerecht werden und die Sicherheit und den Schutz der Mädchen bei Erziehung und Bildung garantieren. Auch müssen wir Wege finden Wissenschaft, Technologie, Ingenieurswesen und Mathematik (Gebiete, als STEM, in ihrer englischen Abkürzung bekannt) zu unterrichten, die für sie auf eine Weise geeignet sind, so dass sie, wenn sie die Universität verlassen, darauf vorbereitet sind an einem Arbeitsmarkt teilzunehmen, der immer mehr auf die Berufe in Wissenschaft und Technologie ausgerichtet ist. Dies ist grundlegend wichtig, wenn wir das Interesse von Mädchen und Frauen an Bildung erhalten wollen, so dass diese auch für eine längere Zeit immatrikuliert verbleiben und schließlich die Ausbildung mit relevanten Kenntnissen abschließen können.