Vom Enkel zum Vater: Jugendlicher gibt Arbeit und Studium auf, um sich um die Großmutter mit Alzheimer zu kümmern
Mariane de Oliveira
15.03.2016 | Dienstag | 16:05 Uhr | Aktualisiert am 22.09. um 16:08 Uhr (Uhrzeit Brasília)
Die Nachricht zu erhalten, dass ein Familienmitglied an Alzheimer erkrankt ist, das ist nicht einfach, denn letztendlich wird sich die Familie im Verlauf der Krankheit vor viele Herausforderungen gestellt sehen und Veränderungen durchlaufen müssen. Dem mit guter Laune und Leichtigkeit entgegenzutreten, das war die Strategie des jungen Brasilianers Fernando Aguzzoli, der sich dazu entschlossen hatte, sein Philosophiestudium und das Projekt eine eigene Firma zu gründen, auszusetzen um sich ausschließlich um seine Großmutter, Oma Nilva zu kümmern, wie er sie zärtlich nennt. Damals war er 22 Jahre alt.
„Ich dachte anfangs es wäre etwa so wie eine Amnesie, so wie Vergessen. Dann habe ich tiefer nachgeforscht und habe entdeckt, dass es sich hierbei um etwas viel Schlimmeres handelt. Es hat in der Tat Angst gemacht, aber sie ist ja immer noch meine Oma“, so erzählte er in seinem Interview mit der Zeitschrift Guter Wille. Der Grund um mit der Krankheit auf eine positive Weise umzugehen, den erläutert er selbst: „Ich wäre wohl verrückt geworden, wenn ich die Krankheit tatsächlich erstgenommen hätte, denn es ist wirklich schlimm und hart. Wenn man eine Sichtweise wählt, die von Leichtigkeit und guter Laune bestimmt ist, dann ist alles möglich – meine Eltern und ich, wir würden dabei nicht verrückt werden und meine Großmutter würde noch viel lachen in der Zeit, die uns auf ihrem Weg noch verbliebe.“
Es waren dann noch 6 Jahre des Zusammenlebens mit Oma Nilva und Alzheimer. Die dabei gelebten Erfahrungen, mal überraschend, mal dramatisch, zusammen mit den während dieser Zeit gelernten Lektionen, haben ihn dazu inspiriert eine Seite in einem sozialen Netzwerk zu erstellen. Der Erfolg dieser Berichte seines doch etwas ungewöhnlichen Alltags und die darin geteilten Dialoge mit seiner Oma war so groß, dass daraus das Buch Wer, ich? Eine Oma und ihr Enkel. Und viele Lektionen des Lebens! entstanden ist.
Während dieser Zeit ist das Verhältnis zwischen Großmutter und Enkel noch enger geworden: „Alzheimer kommt in viele Familien, um diese näher zusammenzubringen. Meine Oma und ich sind uns immer nahegestanden und wir waren die besten Freunde, aber dann, nach der Krankheit, hatten wir zusätzlich eine Beziehung, ähnlich wie Vater und Tochter aufgebaut“, so sagte Aguzzoli.
Im Dezember 2013 erlag Oma Nilva dann einer Harnröhrenentzündung, kurz bevor sie 80 Jahre alt wurde. Überglücklich die Möglichkeit gehabt zu haben sich um den Menschen kümmern zu können, der sich immer um ihn gekümmert hatte, sendet Fernando seine Botschaft an alle, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: „Es möchte manchmal scheinen, dass, indem wir uns abwenden, alles anders wäre und wir nicht leiden würden. Ein reines Gewissen aber, das ist einfach unbezahlbar (…). Nehmt das Leben einfach etwas fröhlicher, mit mehr Freude. Wenn wir nicht das Lachen mit denen teilen, die wir lieben, dann werden alle Schwierigkeiten, denen wir begegnen, unüberwindbar sein. Es braucht Geduld, ja sogar viel Geduld, aber, wenn man Guten Willens ist und denjenigen um den man sich kümmert auch liebt, dann ist auch alles möglich!“