Respekt vor dem beginnenden Leben
Ein Spezialist für Molekularbiologie warnt vor ungenügender Information hinsichtlich der schwerwiegenden Konsequenzen der Abtreibung.
Angélica Beck und Leila Marco
27.05.2014 | Dienstag | 17:33 Uhr | Aktualisiert am 22.09. um 16:08 Uhr (Uhrzeit Brasília)
In diesem Interview mit der Zeitschrift GUTER WILLE, Nr. 234, erklärt die Doktorin für Molekularbiologie an der Bundesuniversität von São Paulo (Unifesp) und Präsidentin des Instituts für Stammzellenforschung (IPCTRON), Frau Dr. Lilian Piñero Eça, die Aspekte im Zusammenhang mit dem Beginn des Lebens bei der menschlichen Fortpflanzung und die schwerwiegenden Konsequenzen der Abtreibung für die physische und mentale Gesundheit der Frau.
Dr. Eça, die gleichfalls wissenschaftliche Leiterin des Zentrums für Aktualisierung für Gesundheit (CAS) ist, warnt vor der Gefahr, dass das Projekt zur Entkriminalisierung der Abtreibung in Brasilien Gesetz werden könnte. Hierzu gründet sie sich auf ihre langjährige Erfahrung, zusammen mit anderen Experten, insbesondere durch den Einsatz des interdisziplinären Teams des CAS bei der Behandlung von Frauen, die eine Schwangerschaft unterbrochen haben.
Die Spezialistin tritt für die Bürgerrechte beginnend bei der Befruchtung ein, dem Moment, in dem das Leben des Individuums seinen Anfang nimmt. Anstatt daran zu denken den Tod zu fördern, empfiehlt die Forscherin, dass es an erster Stelle notwendig sei, sich um die Verbesserung der Gesundheitsqualität der Brasilianer zu kümmern.
Die Meinung der Biomedizinerin addiert sich zu einer weitreichenden Diskussion, bei der die Sorge um das Leben im Zentrum steht– für die Legion des Guten Willens eine Frage, die materielle, moralische und spirituelle Dimensionen umfasst, denn das Leben beginnt noch vor der Empfängnis. Wie der Vorsitzende und Leiter der LGW, José de Paiva Netto sagt: „Wir haben einen Körper, sind aber Geist.“
GUTER WILLE – Vielen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben mit der LGW über die Konsequenzen der Abtreibung für die Gesundheit der Frau zu sprechen.
Dr. Lilian Eça – Es ist mir ein Vergnügen wieder mit der Legion des Guten Willens sprechen zu können. Ich nehme die Einladung immer gerne an. Ich bin eine Anhängerin dieser wunderbaren Energie der LGW. Ich hoffe die Zweifel der Frauen und auch der Männer auf allgemeinverständliche Weise klären zu können, denn niemand wird von alleine schwanger. Man kann anhand der Menstruationszyklen versuchen nicht schwanger zu werden, aber, nachdem die Schwangerschaft erst einmal eingetreten ist, müssen wir sie zum Wohle der Gesundheit der Frau auch bestehen lassen.
GW – Mit der Schwangerschaft verändert sich auch der Körper der Frau…
Dr. Lilian Eça – Das menschliche Leben beginnt mit dem Zusammentreffen des Spermatozoons mit der Eizelle. Hierbei bilden sich die embryonalen Stammzellen, die wiederum den Menschen bilden. Dort sind schon alle Proteine und die Anlage für das zukünftige Gehirn, die Beinchen und Ärmchen vorhanden. (…) Ich untersuche in meiner Arbeit die Zellensymptome von Embryonen im Uterus. Wir Frauen besitzen zwei Arten von Hormone, die bei Gynäkologen in aller Munde sind: das Östrogen und das Progesteron. Ersteres ist die meiste Zeit über im Organismus vorhanden. Die Proteinmoleküle des Östrogens kennzeichnen unseren gesamten Körper; von daher besitzen Frauen keine Haare, besitzen eine größere Affektivität und das Nest der Mutterschaft. Das Progesteron wird ausgeschüttet, sobald ich befruchtet werde und schwanger bin, und beginnt dann das Östrogen zu ersetzen. Nach 48 Stunden Schwangerschaft sind bereits alle Veränderungen in den Milliarden Zellen, aus denen eine Frau besteht, vorhanden. Eine davon ist die Affektivität und man wird auch müde… Warum aber, werden wir müde? Damit man nicht mehr so viel Energie verschwendet. Jetzt muss man die Energie für das Baby aufsparen. Eine Frau wird also ganz für das Kind gekennzeichnet. Nun aber, trifft sie die Entscheidung, allein oder mit dem Partner, dass diese Schwangerschaft nicht gewollt ist, obwohl sie gänzlich vom Progesteron in ihren Milliarden Zellen und ihren Synapsen gekennzeichnet ist… Sie besitzt alle Merkmale um dieses eine, nicht mehr reproduzierbare menschliche Wesen auszutragen.
GW – Kann eine Abtreibung ein Ungleichgewicht im Körper hervorrufen?
Dr. Lilian Eça – Wenn man sich für das Entfernen des Kindes entscheidet, dann provoziert man einen Blackout… so, als wenn man den Stecker des Computers zieht, wissen Sie? Wenn man dann versucht den Computer wieder anzuschließen, dann funktionieren die Chips nicht mehr. Man verursacht einen Blackout in den Milliarden von Zellen. Die Frau war ganz gefühlsbetont und verwandelt, um ein Nest zu bauen, die Zellen schütten eine Menge von Neurotransmittern und Endorphinen aus… Wenn man den Stecker zieht und den Fötus heraussaugt, dann findet eine Unterbrechung bei den Neurotransmittern statt, denn der Spiegel des Progesteron, das deren Ausscheidung bestimmt, fällt dann. Die Frau kann auf Grund dessen für den Rest ihres Lebens depressiv werden. Wenn sie bereits eine stärkere Tendenz zur Depression hat, dann ist das Fehlen eines Neurotransmitters eine Tragödie und selbst Medikamente können dies nicht wiederherstellen.
GW – Findet so also eine brutale Reaktion des eigenen Körpers statt, unter einem hohen Grad von Aggressivität?
Dr. Lilian Eça – Mit totaler Aggressivität! Das bedeutet es nicht emanzipiert zu sein… Emanzipation heißt hinzugehen und den Fötus abzusaugen? Nein. Das ist, wissenschaftlich gesehen, ein Rückschritt. Wenn Sie ihren Körper lieben, sich selbst, ihren Neurotransmitter, ihre Neuronen, ihr Gehirn, dann rate ich ihnen tausendmal darüber nachzudenken. Davon abgesehen laufen Sie Gefahr eine Infektion zu bekommen, oder mehr abzusaugen als nötig, denn wenn Sie doch einmal ein Kind haben möchten, dann könnte eventuell die Gebärmutterschleimhaut nicht mehr vorhanden sein. Wenn man die Gebärmutterschleimhaut entfernt, dann verliert der Fötus an Beweglichkeit; oder es kann zu einer erhöhten Gefahr einer Eileiterschwangerschaft kommen; [in diesem Fall] muss nicht nur der Fötus entfernt werden, sondern auch die Eileiter. Wenn ich hier erst anfange darüber zu reden, was eine Schwangerschaftsunterbrechung für Ihre physische und mentale Gesundheit bedeutet, und es gibt Frauen, die sogar mehrere durchführen lassen, dann würden Sie das wirklich nicht tun wollen.
GW – Fehlt es immer noch an Information?
Dr. Lilian Eça – Leider fehlt es dem Brasilianer im Allgemeinen an Information, und, aus diesem Grunde kämpft er auch nicht um seine Rechte. (…) Also, eine Abtreibung zu machen, heißt nicht zu beschützen. Ein Arzt leistet einen Eid auf das Leben, vom Anfang bis zum Ende, und dann geht er hin und nimmt das Leben? Das ist doch ein Widerspruch. Wenn dieses Gesetz in Brasilien kommt, dann müssen wir eine neue Universität gründen. Wir sind nicht einmal in der Lage bei Schwangeren eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen, geschweige denn Untersuchungen zu machen um Kinder abzutreiben. Da bin ich absolut dagegen. Im Gegenteil, wir müssen mehr Krankenhäuser bauen, mit mehr Leistungen, besserer Bezahlung für die Fachkräfte; wir brauchen ein Gesetz der Gesundheit.
GW – Spüren Länder, in denen Abtreibung erlaubt ist, diese Auswirkungen?
Dr. Lilian Eça – Hochentwickelte Nationen, wie Dänemark beispielsweise, in denen das Gesetz Abtreibungen erlaubt, haben eine hohe Selbstmordrate bei Frauen. Und hier liegt genau das Fehlen des Neurotransmitters. Ein Mensch wird sich erst das Leben nehmen, wenn er in einer großen Depression steckt. (…) Abgesehen von meinen Forschungen zu den Zellsignalen, habe ich über viele Jahre hinweg im Zentrum für Aktualisierung für Gesundheit das Verhalten von Frauen beobachtet, die eine Schwangerschaftsunterbrechung vorgenommen haben. Wir haben dort eine interdisziplinäre Equipe – mit Psychiatern, Krankenpflegern, Biomedizinern, Zahnärzten… Ich bin nicht die einzige, die zu diesen Schlussfolgerungen gekommen ist, es sind auch die Ergebnisse der Untersuchungen von anderen Fachleuten.
GW – Und die Schwangerschaftsunterbrechung bei anenzephalischen *¹ Föten, wie denken Sie darüber?
Dr. Lilian Eça – Mag sein dass ich Sie jetzt schockiere, aber so denke ich darüber… Ich meine es ist wirklich hart, wir wollen natürlich immer, dass unsere Kinder absolut gesund sind, aber, wenn ich eine Ultraschalluntersuchung mache und ich sehe dass ein Kind ohne Gehirn ist, dann halte ich es für gesünder der Trauer eine Chance zu geben, als es einfach nur loszuwerden indem man es abtreibt. In diesem Fall wissen wir, dass sein Leben kürzer sein wird. (…) Es ist dasselbe, beispielsweise, als wenn Sie ein gesundes Kind haben und morgen hat dieses Kind einen Unfall und es ist nicht mehr gesund. Die Mutter bleibt an seiner Seite und lebt mit dem Kind zusammen, das dieses tagtäglich braucht. Es gibt Widersprüche. Wenn ich mein Kind in mir trage und es ist krank, werde ich es dann aus mir herausreißen? Natürlich nicht, dafür lieben wir es zu viel! (…) In dem Augenblick, in dem man schwanger wird, hat man die Verantwortung für dieses Wesen, das in einem ist.
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*¹ Anenzephalie – Eine seltene Anomalie des Neuralrohrdefekts, der sich durch das partielle Fehlen des Gehirns und der Hirnschale des Fötus charakterisiert.
Übersetzung: Thomas Hempfing
Revision: Mônica Moraes