Über die soziale Inklusion hinaus
Internationaler Tag zielt auf die Eliminierung von jedweder Art von Diskriminierung gegenüber Menschen mit Behinderung ab*1
Jéssica Botelho
27.11.2013 | Mittwoch | 17:24 Uhr | Aktualisiert am 22.09. um 16:08 Uhr (Uhrzeit Brasília)
Fähigkeiten und Möglichkeiten von Menschen mit Behinderung aufzuwerten, anstatt deren Handicap noch deutlicher zu machen, ist ein fundamentaler Schritt zur Konsolidierung von Inklusion. Nach Schätzungen der Organisation der Vereinten Nationen leben ungefähr 15% der Weltbevölkerung, also annähernd 1 Milliarde Menschen, mit irgendeiner Art von Defizienz. Obwohl diese Zahl hoch ist, so ist dies doch für viele ein Thema das wenig Interesse hervorruft und ignoriert wird. Auf dem Arbeitsmarkt beispielsweise, sind, für die Mehrheit der Arbeitgeber, Menschen mit Behinderungen nicht in der Lage zu arbeiten. Sie wissen nicht, wie man mit einem Computer umgeht, oder sie sind einfach nicht qualifiziert genug.
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Man könnte sagen, dass nicht die geringste Anstrengung gemacht wird, um die Fähigkeiten dieser Menschen zu entdecken und zu entwickeln, die, ebenso wie jeder andere Mensch, Gefühle haben und Intelligenz und ihre eigenen Lebensziele besitzen. In einem Interview mit dem Programm Solidarische Gesellschaft*2, setzt sich Karolline Sales, Assessorin für Kommunikation der Brasilianischen Vereinigung für Blinde (ONCB) mit diesem Thema auseinander: „Ich kenne verschiedene Menschen mit Sehbehinderung, die graduiert sind, oder post-graduiert, oder die bereits ihren Master-Abschluss besitzen. Also, dieses Argument, dass sie keine Qualifizierung besäßen, das ist mehr hypothetisch als real. Natürlich gibt es Menschen, die keine Qualifizierung besitzen, die findet man aber nicht nur bei Behinderten, sondern auch unter Menschen ohne Behinderung.“
Für die Vereinten Nationen stellen also die Barrieren, denen sich die Menschen mit Behinderung entgegengestellt sehen, eine Benachteiligung für die Gesellschaft als Ganzes dar. Eine Barrierefreiheit ist notwendig, um egalitären Fortschritt und Entwicklung gewährleisten zu können. „Forschungen und Experimente haben gezeigt, wenn die Barrieren für den Zugang zur Inklusion beseitigt werden, Menschen mit Behinderung in der Lage sind, vollständig am Leben der Gesellschaft teilzunehmen, wobei die Gesellschaft insgesamt profitiert“, dies bestätigt die Sekretärin der Konvention für die Rechte der Menschen mit Behinderung (SCRPD) bei der Organisation der Vereinten Nationen.
INKLUSION DURCH SPORT
Das Beispiel für Enthusiasmus und Überwindung des paraolympischen Leichtathleten Lucas Prado illustriert gut diese Aussagen. Im Juli 2013 beendete Brasilien die paraolympische Weltmeisterschaft der Leichtathleten mit 40 Medaillen, davon 16 Gold-, 10 Silber- und 14 Bronzemedaillen. Brasilien erzielte so den dritten Gesamtplatz dieser Weltmeisterschaft, die in Lyon in Frankreich ausgetragen wurde. Als einer seiner herausragenden Athleten gewann Lucas Prado zwei Goldmedaillen: 100m T11 und 200m T11 (Kategorie für Athleten mit Sehbehinderung).
In seiner Jugend sah Lucas sich einer dramatischen Situation entgegengestellt: er verlor sein Augenlicht. Aber dennoch fand er Kraft im Sport um weitermachen zu können. Der Kommunikation des Guten Willens*3 erzählte er ein wenig von seiner Geschichte, die in der Tat einer Medaille würdig ist.
GUTER WILLE – Wann haben Sie Ihr Augenlicht verloren?
Lucas Prado – Von meinem siebzehnten Lebensjahr an habe ich nach und nach mein Augenlicht aufgrund einer Netzhautablösung in einem Auge verloren. Danach [am anderen Auge] erkrankte ich an einer makularen Chorioretinitis (Entzündung am Augenhintergrund). Ich wurde depressiv… und ich wollte mir bereits das Leben nehmen, aber, der Sport hat mir eine neue Chance zu leben gegeben.
GW – Worin liegt die größte Schwierigkeit für einen Sehbehinderten?
Lucas – In meinem Fall war es, zu akzeptieren, dass ich erblindet war, dass ich nichts mehr sehen konnte. Es ist alltäglich, dass wir Menschen sehen, die ihre Behinderung nicht akzeptieren können; dieses Vorurteil sich selbst gegenüber, das ist das Schlimmste von allem. Es gibt aber auch die Barrieren, die man den Behinderten gegenüber errichtet. Heutzutage beeindrucke ich die Menschen damit, dass ich dieselben Dinge mache wie ein Nichtbehinderter, ich arbeite beispielsweise mit dem Computer, ich gehe alleine zur Toilette, gehe auf die Straße, fahre mit dem Bus, verreise etc.
GW – Die Gesellschaft muss sich also inklusionsbereiter zeigen…
Lucas – Viele Leute glauben, dass ein Behinderter nicht in der Lage ist dieselben Dinge zu tun wie ein sogenannter normaler Mensch. Vielleicht wissen sie es nicht, aber mein Lehrer für Fortbewegung ist selber blind, genauso wie meine Braille-Lehrerin, die mir auch den Gebrauch des Computers beigebracht hat. Ich sage immer, wenn man mir heute Heilung für meine Behinderung böte, so würde ich sie nicht annehmen, denn ich glaube, dass ich so zu einem besseren Menschen geworden bin, der jede Herausforderung annimmt.
GW – Bis zu dieser Weltmeisterschaft in Lyon, was waren Ihre besten Resultate?
Lucas – 2008 gewann ich drei Goldmedaillen bei der Paraolympiade in Peking, China. 2012 habe ich an den Paraolympischen Spielen von London teilgenommen und brachte zwei Silbermedaillen mit nach Hause. Das war mein schwierigster Wettkampf gewesen, denn ich musste mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel an den Start gehen. In diesem Jahr habe ich zwei weitere Goldmedaillen gewonnen und habe noch dazu bei der paraolympischen Leichtathletikweltmeisterschaft in Frankreich, meinen eigenen Rekord um 1,03 Sekunden, auf 10,99 Sekunden verbessert.
Diese Kultur der Diskriminierung muss dringendst unterbrochen werden. Für die Rechte von Menschen mit Behinderung zu kämpfen, heißt also, es zuzulassen, dass alle dieselben Chancen bekommen, ihre eigene Identität, zusammen mit dem ausleben zu können, was diese für sich selbst idealisieren. Der Journalist und Schriftsteller Paiva Netto, Vorsitzender der Legion des Guten Willens (LGW), schließt folgendermaßen: „Die wahrhaftige Befreiung des Menschen und seines unsterblichen Geistes aus der Sklaverei, wird diejenige sein, die von der Kultur der gegenseitigen Achtung gestärkt ist, deren Reichtum in der Vielfalt der Ideen zum Frieden unter den Menschen zählt“.
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*1 Dieser Tag wird am 3. Dezember begangen.
*2 Das Programm Solidarische Gesellschaft wird von Montag bis Freitag um 3Uhr30, 18Uhr30 und um 22Uhr30, an Sonntagen um 7Uhr30 und 22 Uhr (brasilianischer Zeit) übertragen. Sie können auch Online über das Portal des Guten Willens, www.boavontade.com/deutsch mit dabei sein.
*3 Super Netzwerk des Guten Willens für Kommunikation – dieser Ausdruck bezieht sich auf die Kommunikationsmedien des Guten Willens, deren Zielsetzung es ist die brüderlichen Ideale des Ökumenismus ohne Grenzen zu verbreiten: Super Netzwerk des Guten Willens Radio, Guter Wille TV (Kanal 20 SKY), das Netzwerk für Erziehung und Zukunft TV – Umerziehen. Das Portal des Guten Willens, sowie die Veröffentlichungen der Ökumenischen Spiritualität.
Übersetzung: Thomas Hempfing
Revision: Mônica Moraes