Wie steht es um Ihr Gehör?
Die Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde: Einer der größten Spezialisten in Brasilien spricht über den Umgang mit dem Gehör.
Mariane de Oliveira
27.04.2015 | Montag | 14:39 Uhr | Aktualisiert am 22.09. um 16:08 Uhr (Uhrzeit Brasília)
Pfeifen, Hörverlust, Schwindel und das Gefühl von Druck auf den Ohren, sind Signale für eine Krankheit über die immer noch wenig bekannt ist: das Ménière-Syndrom. Obgleich noch nicht ausreichend bekannt gemacht, benötigt dieses Problem Beachtung bei den ersten Symptomen.
Auf Einladung der Zeitschrift GUTER WILLE, klärt einer der bekanntesten und anerkanntesten Hals- Nasen- Ohrenärzte Brasiliens die häufigsten Fragen zu dieser Krankheit. Nach Meinung von , der der Hals-Nasen- Ohren-Abteilung der 2. Krankenstation der Klinik Santa Casa de Misericórdia in Rio de Janeiro in Brasilien vorsteht, kann das Ménière-Syndrom in jeder Altersstufe auftreten, besonders aber bei Erwachsenen um die 40-50 Jahre, und noch ein wenig mehr aber bei Frauen. In dem Gespräch machte der Arzt auch auf die notwendige Pflege und Versorgung der Gesundheit des Gehörapparates aufmerksam.
GUTER WILLE – Was ist das Ménière-Syndrom?
Dr. Jair de Castro – Es handelt sich hierbei um eine bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts gut bekannte Krankheit. Sie wird durch eine Tetrade charakterisiert, d.h., den Verlust des Gehörs, ein Pfeifen, Schwindelgefühl und einen Druck auf den Ohren. Dies ist das klassische Bild der Krankheit. Oftmals überlagert auch ein [Symptom] das andere; manchmal ist es Taubheit oder Schwindel, ein stärkeres Pfeifen oder Druck; oder aber, finden sich die Symptome mehr oder weniger ausgeglichen.
GW – Woran kann man erkennen dass man einen Arzt aufsuchen sollte?
Dr. Jair de Castro – Wenn ein Symptom nur für einige Stunden auftritt und dann wieder vergeht, dann ist es nicht nötig [einen Arzt aufzusuchen]. Wenn diese Symptome aber wiederholt auftreten oder auch permanent bleiben, dann sollte man dies untersuchen lassen. Wir lenken die Aufmerksamkeit beim Gehör sowohl auf den auditiven Teil als auch auf das Gleichgewicht, denn dieses System ist wie ein Thermometer für unsere Gesundheit. Wenn es im Ohr pfeift, wenn die Hörleistung sinkt oder Schwindel auftritt, dann findet höchstwahrscheinlich etwas unterschwellig statt... Jeder Patient hat seine eigenen Charakteristiken, die Krankheit aber, die ist immer dieselbe.
GW – Gibt es eine bestimmte Methode die Krankheit zu erkennen?
Dr. Jair de Castro – In der Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde haben wir eine Vorgehensweise, die denen der anderen Fachrichtungen sehr ähnlich ist. Wir suchen nach bestimmten Komponenten... der Zeit, dem Aufkommen, der Frequenz [der beschriebenen Symptome], dem Beruf des Patienten, dessen Alter, ob er irgendein anderes Gesundheitsproblem hat, ob er Medikamente im Übermaß einnimmt usw. All dies ist äußerst wichtig um verstehen zu können, wobei es sich bei dem Patienten handelt. Auf Grund dieser Informationen wird zu aller erst eine physische Untersuchung durchgeführt, wobei wir Nase, Rachenraum und Gehör untersuchen. Der zweite Schritt dann stellt die Investigation mittels zusätzlicher Untersuchungen dar: Audiometrie, Impedanzmessung, Elektrophysiologie des Gehörs, sowie eine für Ménière spezifische Untersuchung, die Elektrocochleographie.
GW – Hiermit ist es dann möglich die Diagnose zu bestätigen?
Dr. Jair de Castro – Anhand dieser Untersuchungen können wir eine äußerst exakte Information darüber erhalten, wie der Gehörapparat funktioniert. Eventuell, je nach den Resultaten, [werden dann noch] weitere Untersuchungen angefordert, wie eine normale Blutuntersuchung, mit Hämogramm, einer Untersuchung der Fettwerte, des Zuckers, der Hormone... Einige Patienten allerdings könnten noch zusätzliche bildgebende Untersuchungen benötigen: eine Tomographie oder Kernspintomographie. Mit der Gesamtheit dieser Informationen hat man dann bereits das Profil des jeweiligen Patienten. Diese Vorgehensweisen werden in einer Sequenz durchgeführt und geben uns nach und nach bei ihrem Eintreffen Informationen, die es uns dann erlauben die Diagnose zu bestimmen.
GW – Bei bestätigter Diagnose, was ist dann der nächste Schritt?
Dr. Jair de Castro – Zu allererst muss eine freundschaftliche Beziehung zwischen Arzt und Patient hergestellt werden. Sowohl in Privatkliniken, als auch in öffentlichen Kliniken, wie der Santa Casa de Misericórdia in Rio de Janeiro, erklären wir was die Krankheit eigentlich ist... dass sie, abgesehen davon unbequem zu sein, keine größeren Probleme für das Leben des Patienten darstellt. Wir orientieren ihn anhand der gemachten Untersuchungen und reden mit ihm ein wenig über seine Gesundheit, seine Essgewohnheiten und wir legen für ihn die Medikation fest, die abhängig von der jeweiligen Phase der Krankheit ist, in der der Patient sich befindet. (...) Die Ménière Krankheit besitzt eine Charakteristik, die aber von Mensch zu Mensch verschieden ist. Von daher die Notwendigkeit einer individuellen Dosierung der Medikamente. Ein weiterer wichtiger Punkt stellen die Lebensgewohnheiten des Patienten dar. Abgesehen davon den Konsum von Natrium [Kochsalz] und von Koffein zu verringern, empfehlen wir ihm nicht länger als drei Stunden ohne zu essen zu bleiben.
GW – Kann das Ménière-Syndrom zu vollständiger Taubheit führen?
Dr. Jair de Castro – Ja, es kann tatsächlich zu einer fast vollständigen Ertaubung führen: aber nicht nur zum Verlust des wichtigen Gehörs, sondern auch zum Verlust des Wortverständnisses. Abgesehen davon schlecht zu hören, versteht man dann auch nicht. Das Gehör ist ein äußerst wichtiges Sinnesorgan; ein Gehörgeschädigter leidet sehr Zuhause, in der Arbeit, auf der Straße, und er beginnt dann sich zu isolieren und die Einladungen der Familie, des sozialen Umfelds abzulehnen... Die Botschaft also, die wir hinterlassen möchten, ist die, dass jeder Hörbehinderte die Möglichkeit auf Hilfe hat. Hören zu können ist fundamental, nicht nur für das soziale, familiäre, oder berufliche Leben, sondern gleichfalls für das psychische Wohlergehen des Patienten.
GW – Welches ist der geeignete Geräuschpegel für das Gehör?
Dr. Jair de Castro – Der liegt zwischen 85 und 90 Dezibel. Man sollte die Musik auf ein komfortables Volumen einstellen. Wir haben beobachtet, dass die Leute mit einer komfortablen Lautstärke beginnen und dann, nach einer gewissen Zeit, lauter stellen, was bereits einen gewissen Grad an Hörverlust aufzeigt. Dies findet nicht von heute auf morgen statt, es ist ein langer Prozess, und wenn man dann um Hilfe sucht, ist auch schon eine, voraussichtlich irreversible Läsion, vorhanden.
GW – Von daher sollte also die Sorge um das Gehör frühzeitig beginnen?
Dr. Jair de Castro – Es sollte bereits während der Schwangerschaft anfangen. Die Mutter sollte Sorgfalt walten lassen, sollte eine Schwangerschaftsberatung erhalten, sie sollte keine Medikamente oder Antibiotika nehmen – nicht alle, aber doch Antibiotika, die den Gehörapparat schädigen können. Sie sollte nicht rauchen, nicht trinken und keine Drogen nehmen. Bei der Geburt des Kindes sollte dieses einen Gehörtest machen, denn, sollte es Probleme haben, dann müssen diese behandelt werden. Wenn das Kind nicht bis zum Alter von 24 Monaten diagnostiziert wird, dann wird eine eventuelle Rehabilitation extrem schwierig. Heutzutage gibt es die Möglichkeit eines Cochlearimplantats bei Kindern, die absolut ohne Gehör geboren sind, um ihnen das Gehör wiedergeben zu können und sie so in der Lage sind ein normales Leben führen zu können. Unser Beruf ist dazu da zu helfen, damit die Menschen ein besseres Leben führen können.
GW – Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der bereits Hörprobleme hat?
Dr. Jair de Castro – Suchen Sie ärztliche Hilfe. Sie werden Unterstützung finden und Rat, Sie werden behandelt werden und bekommen Medikamente... Sie werden die Mittel erhalten, ein angenehmeres und freudvolleres Leben führen zu können. Ich bin der Meinung, dass es der Sinn des Lebens sein sollte auch besser zu leben, mit den Menschen, der Familie und in der Gemeinschaft integriert zu sein. Gesundheit ist ein göttliches Gut, und deshalb müssen wir auch auf sie achtgeben.
Übersetzung: Thomas Hempfing
Revision: Mônica Morae